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»Qualität, Hygiene und Menschlichkeit sind entscheidend«

natürlich HAMM WINTER 2023 – Seite 16

Rubrik: Aus Praxis & Region

Autor: Meike Jänsch

Tätowierer Jason Kraus über Tätowierungen, Hygiene und Gesundheit

Tribals, Porträts, Schädel, Mandalas und andere Motive gehören zum täglichen Geschäft im Tattoo-Café The Devil’s Blueprint in der Werler Marktstraße. Den Inhabern Jason Kraus und Tim Wegmann kommt es auf Qualität und Vertrauen an. Im Interview erklärt Jason Kraus, was ein gutes Tattoo-Studio ausmacht und auf was Tätowierte und die es werden wollen, achten sollen.

Sie sind seit 10 Jahren hauptberuflicher Tätowierer und seit Oktober 2022 haben Sie mit Devil’s Blueprint ein eigenes Studio in Werl. Damit erlebten Sie den Tattoo-Boom der letzten Jahre komplett mit, oder?

Mehr oder weniger. Mein Vater ist seit 35 Jahren Tätowierer und hat in den 90ern sein erstes Studio eröffnet. Damals war, würde ich sagen, der größte Tattoo-Boom. Den hat man vielleicht nicht so mitbekommen, weil es noch keine Social Media gab. Mein Vater hat damals in den ersten drei Jahren drei Studios eröffnet, die auch heute noch laufen.

Einen zweiten Boom gibt es seit 2014. Durch Social Media haben viele ihre Tattoos präsentiert und andere inspiriert. Seitdem hat sich auch der Ruf von Tattoos geändert. Weg von den Seeleuten und Kriminellen hin zu jedem Menschen. Ich selbst habe durch meinen Vater nie so ein Nischendenken gehabt.

„Uns ist es wichtig, dass wir bei einem ersten Gespräch Vertrauen zum Kunden aufbauen, dabei über mögliche Auswirkungen aufklären“

Sagen wir, es kommt jemand ins Studio, der sein erstes Tattoo haben möchte. Wie sieht die Beratung dieses Erstkunden in Richtung Hautgesundheit aus?

Wir schauen uns in der Beratung vorab immer erst den Menschen und seine Wünsche an. Was für ein Tattoo möchte er haben? Wo soll es gestochen werden? Aber auch seine Historie ist wichtig. Wie sieht die Haut aus? Hat er entsprechende Krankheiten?

Ähnlich ist es auch bei Muttermalen. Wenn wir auf einem Muttermal schwarz tätowieren, kann es für die Hautärzte schwierig sein, diese zu untersuchen. Daher vermeiden wir das. Uns ist es wichtig, dass wir bei einem ersten Gespräch Vertrauen zum Kunden aufbauen, dabei über mögliche Auswirkungen aufklären.

„Der richtige UV-Schutz macht viel aus.“

Ein weiteres wichtiges Thema ist die Tattoo-pflege. Auf was gilt es da zu achten?

Generell sollte man darauf achten, dass man das Tattoo sauber hält. Dazu spült man es am besten mehrmals am Tag mit Wasser ab. Vorher sollte man sich die Hände waschen und desinfizieren. Nach dem Abtrocknen kann man das Tattoo hauchdünn eincremen. Das soll man auch machen, wenn man die „Second Skin“ entfernt. Das sollte man die nächsten 6 Tage zwei Mal am Tag machen.

Für die längerfristige Pflege gibt es sogenannte „Colour Protection“. Das sind Cremes, die besonders für den UV-Schutz geeignet sind. Sie sorgen für den Hautschutz, aber auch dafür, dass etwa weiche Tattoos, wie Kinderporträts, nicht verlaufen. Das kann bei Sonneneinstrahlung passieren. Ich nutze die auch und creme meine Tattoos im Sommer ein- bis zweimal in der Woche ein. Der richtige UV-Schutz macht viel aus.

Seit 2022 gibt es in der EU die REACH-Verordnung, die gewisse Farbpigmente verbietet, weil sie krebserregend sind. Hat sich seitdem etwas in der Zusammensetzung der Farben getan?

Die REACH-Verordnung verbietet die Pigmente Blue15 und Green7. Die sind nach wie vor verboten und wir dürfen nicht damit arbeiten. Mittlerweile haben aber die Farbhersteller umgerüstet und Farben auf den Markt gebracht, die REACH-konform sind und mit denen wir arbeiten. Wir haben die vorher getestet und ich bin damit ganz zufrieden.

Wir mussten auch unsere Arbeitsweise ändern. Angefangen bei den Grundtönen, da wir jetzt nicht einfach ein paar Farben mischen können, da sie keine Pigmente haben. Außerdem wissen wir noch nichts von der langfristigen Wirkung. Das sehen wir erst in 5 oder 6 Jahren. Daher möchte ich die neuen Farben nicht bewerten.

Hygiene ist auch ein ständiges Thema in Tattoo-Studios. Wie sieht Ihr Hygienekonzept aus?

Als wir das Studio eröffnet haben, mussten wir uns nicht nur mit dem Gesundheitsamt auseinandersetzen, sondern auch mit dem Lebensmittelamt, da wir unten das Café haben. Dem Gesundheitsamt mussten wir zuerst ein Konzept schicken, in dem steht, wo bei uns Desinfektionsspender angebracht sind, mit welchen Farben und Nadeln wir arbeiten und wo wir auch einen Desinfektionsraum haben, in dem alle Nadeln desinfiziert werden.

Wir sind einen anderen Weg gegangen und haben uns dafür entschieden, mit Einwegartikeln zu arbeiten. Alle Arbeitsartikel, die jeder Tätowierer an seinem Platz hat, von Nadeln über Farben bis zur Folie, sind Einwegprodukte, die nach dem Gebrauch fachgerecht entsorgt werden. Alles, womit der Kunde in Kontakt kommt, wird ausgepackt, sterilisiert und nachher entsorgt. Zudem wischt eine Putzfachkraft abends hier alles mit Flächendesinfektionsmittel aus. So können wir davon ausgehen, dass hier alles morgens immer schön frisch und sauber ist.

Tätowierer ist in Deutschland kein anerkannter Ausbildungsberuf. Welche Ansprüche muss jemand erfüllen, der bei euch im Studio als Tätowierer arbeiten möchte?

Wir arbeiten ausschließlich mit Freunden und Bekannten aus der Szene. Bei uns ist jeder Tätowierer selbstständig. Neben dem Menschlichen und der guten Arbeit kommt es auf den Stil des Tätowierers an. Jeder hat seine Wohlfühlzone. Ich mache z. B. gerne realistische Arbeiten, auch in Richtung Fantasy, Horror, Manga oder Anime. Mein Miteigentümer Tim wiederum ist auf geometrische Formen oder „Dark Art“ spezialisiert.

Vielen Dank für das Interview, Herr Kraus!