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»Der unbekannte Muskel«

natürlich HAMM Frühling 2023 – Seite 5

Rubrik: Titelthemen

Autorin: Lukas Rummeny

Wieso unser Herz so wichtig ist und wie wir es fit halten

Es gibt keinen Körperteil, der so häufig im ­Alltag auftaucht wie das Herz. Es ist in den Medien und in der Kommunikation eine Metapher für Liebe und Zuneigung. In der Medizin ist das Herz Ausgangspunkt für viele wichtige Prozesse. Es pumpt nicht nur Blut durch unsere Venen, sondern sorgt auch dafür, dass Nährstoffe, wie Proteine oder Vitamine, zu den Körperstellen gelangen, wo sie benötigt werden. Lesen Sie, was Sie über das Herz wissen sollten.

Bereits ein Blick auf die Daten ist beein­druckend: Das Herz eines Erwachsenen ist ca. 12 cm lang, erreicht 8 bis 9 cm im Durchschnitt und geht 6 cm in die Tiefe. Diese Maße reichen aus, um bis zu 6 Liter Blut durch den gesamten Körper zu bewegen. Ein wahrer Kraftakt.

Aber das ist kein Problem, denn das Herz ist eher ein Muskel als ein Organ. Es besteht aus verschiedenen Teilen, die jeweils unterschiedlich strukturiert sind und dem Herzen seinen Aufbau, seine Leistungsstärke, aber auch seine Widerstandsfähigkeit verleihen. Das Zentrum bilden die Kammern und die Vorhöfe. Experten reden dabei von den Ventrikeln und Herz­höhlen. Von hier aus wird das Blut, gefüllt mit Sauerstoff aus der Atemluft, über die Arterien in alle Bereiche des Körpers gepumpt. Auf dem Rückweg, durch die Venen, nimmt es Schadstoffe mit. Diese filtert das Herz aus dem Blut und sorgt dafür, dass sie den Körper verlassen. Dann geht die Reise für sie von vorne los.

Wie jeder Muskel muss auch das Herz mit einem Knochen verbunden sein, um seine Kraft entwickeln zu können. In diesem Fall bildet das Herzskelett die Grundlage und sorgt dafür, dass das Herz an seinem Platz im Körper verbleibt. Es besteht hauptsächlich aus Knochen- und ­Knorpeleinlagerungen, aber auch aus Fett und einer Schicht Bindegewebe. Das Skelett ver­bindet das Herz mit Venen, Arterien und dem Körper. Gleichzeitig sorgt es aber auch für eine Isolierung von diesem: Jedem Herzschlag kommt ein elektrischer Impuls zuvor. Diesen löst der Sinusknoten, der sich oben am Herzen befindet. Dieser Impuls bringt die Herz­kammern in Bewegung. Damit der Impuls ­keinen Weg in die Vorhöfe findet, fungiert das Herzskelett als Isolierung zwischen den unterschiedlichen Teilen.

Ohne Unterlass am Pumpen

Unser Körper verlangt immer nach frischem Blut und auch der Stoffwechsel darf nie komplett zum Erliegen kommen. Das Herz ist deswegen ein Dauerarbeiter. Es funktioniert dabei wie eine Druck- und Saugpumpe. Den Anstoß gibt unser „natürlicher Schrittmacher“, der Sinusknoten. Der von ihm ausgehende elek­trische Impuls sorgt dafür, dass sich das Herz zusammenzieht. Dieses verursacht, dass das Blut aus den Venen, welches die Abfallstoffe transportiert, zum Herzen gelangt. Entspannt sich der Herzmuskel, gelangt das Blut zunächst in den Vorhof und dann erst in die Kammer. Beide sorgen dafür, dass das Blut gereinigt und mit Sauerstoff versorgt wird. Die Herzkammer pumpt dann das Blut wieder zurück in die Arterien.

Dass das Blut nicht willkürlich in das Herz fließt und Schäden verursacht, regeln die Herz­klappen. Sie bestimmen die Fließrichtung des Blutes und wie viel Blut in Vorhof und Kammer einfließen darf. 70 Milliliter Blut pro Herzschlag sind für ein gesundes Herz normal.

Vorhof und Kammer bilden eine Herzhälfte. Die beiden Hälften arbeiten aber keineswegs mit­einander. Die linke Herzhälfte ist größer und kann deswegen auch eine größere Menge Blut säubern und wieder in die Arterien pumpen. Sie ist mit der Körperarterie, der Aorta, verbunden. Folgerichtig ist sie für die Blutversorgung des gesamten Körpers zuständig. Die rechte Hälfte sorgt für die Blutversorgung der Lunge mit Blut. Da diese weniger Blut benötigt als der Rest des Körpers, ist die rechte Herzhälfte auch kleiner.

Im Fokus der Gesundheit

Der große Aufgabenumfang sorgt dafür, dass das Herz bei jedem Gesundheitscheck im ­Mittelpunkt steht. Es gibt zahlreiche Krank­heiten, die das Herz befallen und seine Funk­tionsfähigkeit zumindest verringern können. Eine ausführliche Beschäftigung mit Herzschwierigkeiten und -krankheiten würde mehrere Bücher füllen. Deswegen gibt es hier einen kurzen Überblick über die verbreitetsten Herz­krankheiten.

Dazu gehört die koronare Herzerkrankung (KHK). Es ist eine chronische Krankheit, bei der sich Ablagerungen in den Gefäßen bilden. Über Jahre und Jahrzehnte werden die Ablage­rungen größer und erschweren es dem Blut, seinen Weg durch die Arterien und Venen zu finden. Das bedeutet dann auch mehr Arbeit für das Herz, um die Leistung beizubehalten. Auf Dauer kann es dann zu Herzrhythmus­störungen kommen, die häufig das erste Symptom einer KHK sind.

In Industrienationen gehört die KHK zu den häufigsten Todesursachen. Ist die Krankheit diagnostiziert, kann eine Behandlung zwar keine Heilung verschaffen, aber der Krankheitsverlauf so weit wie möglich hinausgezögert werden.

Ein schwerwiegenderes Symptom der koro­naren Herzerkrankung ist ein Infarkt. Dieser bezeichnet eine Dysfunktion des Herzens, die bei einer lokalen Durchblutungsstörung eintritt. Wenn eine Rhythmusstörung das Herz dazu zwingt, mehr Arbeit für die gleiche Leistung zu verrichten, dann ist der Infarkt dessen Kapitulation. Die Arbeit fällt erst einmal aus und der Körper kann nicht mehr ausreichend mit lebenswichtigen Stoffen versorgt werden. Anfällig für einen Herzinfarkt sind etwa Bluthochdruckpatienten. Ebenso kann alles, was Venen und Arterien verstopft, einen Infarkt fördern. Dazu zählen auch Nikotin, das etwa durchs Rauchen in den Körper gelangt, oder Fettablagerungen in den Blutbahnen, besser bekannt als Cholesterin.

Es gibt aber auch Erkrankungen des Herzens, die nicht in Gefäßablagerungen begründet sind. Dazu zählen auch Einschränkungen bei den Herzkammern und Vorhöfen. Kann etwa nicht das gesamte Volumen eines dieser Bereiche ausgenutzt werden, ist von der Herzinsuffizienz die Rede. Die Menge an Blut, die dann pro Schlag angezogen, gereinigt und wieder abgegeben werden kann, ist dann geringer als die üblichen 70 Milliliter. In der Medizin wird die Insuffizienz in zwei verschiedenen Schwere­graden gemessen. Die eine ist die kompensierte Herzinsuffizienz, bei der bereits eine dauerhaft schwächere Leistung diagnostiziert ist, aber der Körper diese ausgleichen, also kompensieren kann. Ist die Insuffizienz als dekompensiert eingestuft, kann der Körper die fehlende Herzleistung nicht mehr auffangen.
Die Folge sind stärker auftretende Symptome, wie Schwindel oder Bluthochdruck. Eine weitere Unterscheidung ist der Ort der Insuffizienz. So ist eine Linksherzinsuffizienz in der linken Herzhälfte festzustellen und eine Rechtsinsuffizienz in der rechten. Ist von einer globalen Herzinsuffizienz die Rede, sind beide Hälften betroffen. Die frühzeitige Feststellung einer Insuffizienz ist entscheidend, um schwer­wiegenden Folgeschäden vorzubeugen.

Zwei davon sind Bluthochdruck und Herzrhythmusstörungen. Diese entstehen, weil das Herz mehr arbeitet, um die gewohnte Menge an ­frischem Blut ausstoßen zu können. Weitere Symptome einer Insuffizienz können starke Schwindelgefühle und der Verlust des Bewusstseins sein. Nur wenn die Insuffizienz rechtzeitig erkannt wird, können die Auswirkungen, etwa mithilfe von Medikamenten, reduziert werden und Lebensqualität erhalten bleiben.

Wenig Laster und viel Bewegung

Es bedarf nicht viel, um die Funktion des ­Herzens nachhaltig zu beeinträchtigen. Aber ebenso wenig braucht es, um Herz- und Gefäßerkrankungen vorzubeugen. Die Ernährung spielt dabei eine besondere Rolle. Gerade im Bereich der geringen Cholesterinzunahme lässt sich viel machen. Wenig Eier und, wenn möglich, kein Einsatz von tierischen Ölen und Fetten in der Küche können sehr wichtig sein. Letztere enthalten Omega-3-Fettsäuren. Diese können sich in den Blutbahnen festsetzen und Cholesterin bilden. Hinzu kommt, dass der Mensch selbst in der Lage ist, Omega-3-Fettsäuren zu bilden. Gegen die hohen Blutfettwerte helfen Vollkornprodukte, die besonders viele Ballaststoffe enthalten. Spinat, welcher einen hohen Anteil an Vitamin D und E hat, beugt auch den Ablagerungen in den Arterien vor. Anders sieht es bei Omega-6-Fettsäuren aus. Diese stärken das Herz. Neben pflanzlichen Fetten und Ölen sind diese besonders in Fisch ent­halten. Diese Fettsäuren kann der Mensch auch nicht selbst herstellen, weswegen eine Zufuhr über die Nahrung wichtig ist.

Wer jetzt aber, aus falsch verstandener Liebe zum Herzen, auf die anderen Fleisch­sorten verzichtet, der geht ein großes Risiko ein. Fleisch ist immer noch einer der Hauptlieferanten unseres Körpers für Eisen. Dieses wird etwa zur Bildung von roten Blutkörperchen benötigt. Da über sie der Sauerstofftransport stattfindet, sind auch diese unverzichtbar. Eisen befindet sich zwar auch in anderen Lebensmitteln, aber wer sich vegetarisch ernährt, verzichtet auf eine der Hauptquellen.

Ein weiterer wichtiger Punkt für ein gesundes Herzleben ist Sport. Eine Kräftigung des Herzens wird durch Ausdauertraining gefördert. Ausdauer ist definiert als eine körperliche Leistung, die über einen längeren Zeitraum ausgeübt werden kann. Sie beschreibt die Widerstandsfähigkeit gegen das Ermüden. Dabei wird der Herzmuskel gestärkt, was eine Vergrößerung des Herzschlagvolumens bedeutet. So kann das Herz „mit einem Schlag“ mehr Blut verarbeiten. Der Volksmund nennt einen solchen Effekt übrigens „Sportlerherz“, da es dadurch effektiver arbeitet. Die Herzfrequenz wird verringert, der Blutdruck reduziert und auch der Gefäßwiderstand wird kleiner. Als ­klassische Ausdauersportarten gelten Laufen, Schwimmen, Radfahren und Walking. Aber auch Aerobic stärkt den Herzmuskel. Wichtig ist, dass die Sportart in großen Zeitintervallen mit einer niedrigen oder mittleren Intensität, also einer Herzauslastung von 70 bis 80 Prozent, begangen wird.

Das Herz ist einerseits sehr empfindlich, andererseits aber auch sehr widerstandsfähig. Die Kraft, mit der das Herz arbeitet, ist enorm und verlangt deswegen eine besondere Aufmerksamkeit von uns. Nehmen wir uns die Zeit, hören wir auf unser Herz und trainieren wir diesen Muskel – auch ganz ohne Fitnessstudio.