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»Immer auf Empfang«

natürlich HAMM Frühling 2022 – Seite 31

Rubrik: natürlich DIGITAL

Autor: Lukas Rummeny

Wieso Smartphone, Tablet & Co unsere Gesundheit einschränken können

Smartphone, Tablet, Notebook, Messengerdienste, E-Mails, Push-up-Nachrichten und weitere Vokabeln aus dem Bereich des Digitalen gehören zu unserem Alltag. Wir sind die ganze Zeit online und schauen immer wieder nach, was es Neues gibt. Was ein Segen zu sein scheint, kann sich allerdings zu einer Sünde entwickeln – in mehrfacher Hinsicht. Wir erläutern Ihnen, ­welchen gesundheitlichen Risiken wir uns durch die regelmäßige Nutzung von Smartphone & Co aussetzen.

Seit den 1990er-Jahren haben Mobiltelefone ihren Siegeszug in unserer Gesellschaft gestartet. Parallel eroberte auch das Internet immer mehr Teile unseres Lebens. Der zwischenzeitliche Höhepunkt ist ein Alltag, der voll und ganz von digitalen Medien durchdrungen ist – und ein Ende ist nicht abzusehen.

Diese Entwicklung hat viele Vorteile: So können wir in Sekundenbruchteilen mit der gesamten Welt kommunizieren. Es gibt viele Wege, den Kontakt zu den Lieben zu halten und auch, via Videotelefonie, ein ganz normales Gespräch zu führen. Menschen, die dasselbe Hobby haben, aber nie zusammengekommen wären, können sich über digitale Medien austauschen. Ebenso diskutieren Fans von TV-Formaten, wie etwa dem Tatort, in Echtzeit miteinander, während die aktuelle Folge ihrer Lieblingssendung folgt.

Ist also alles gut? Nicht ganz – denn wo Licht ist, kann auch Schatten sein. Es verhält sich mit den digitalen Kommunikationsmöglichkeiten ein bisschen wie mit der Erfindung des Dynamits. Primär war es sehr hilfreich, um Tunnel in Berge zu sprengen, damit der damals fortschreitende Eisenbahnbau schneller vonstattenging, auf der anderen Seite konnte wenig TNT auch viele Menschen töten – so zynisch es klingt. Jetzt sind digitale Medien keine direkten Tötungsinstrumente, aber der falsche Umgang kann auch hier schwerwiegende Folgen für den Nutzer haben.

Ein Leben zwischen den Welten?

Der Mensch muss lernen, mit Medien richtig umzugehen. In den vergangenen Jahren ist deswegen die Medienerziehung ein wichtiger Teil der Kinderpädagogik geworden. Kultur­wissenschaftlich wird von den Menschen, die um das Jahr 2000 zur Welt gekommen sind, von den „Digital Natives“ („digitalen Ureinwohnern“) gesprochen. Sie sind mit den modernen Medien aufgewachsen und kennen kaum noch analoge Kommunikationswege. Trotzdem gehört das richtige Medienverhalten nicht zu den Grundausstattungen des Menschen. Die Trennung zwischen Realität und Fiktion muss sich zudem erst noch entwickeln.

Deswegen sind es gerade junge Menschen, die Gefahr laufen, in eine digitale Wirklichkeit zu versinken und das echte Leben zu vernach­lässigen. Aber auch Erwachsene können dem Bann des Digitalen verfallen. In beiden Fällen halten die Betroffenen eine „digitale“ Realität für die vermeintlich echte. Die Alltagspflichten werden vernachlässigt, Beziehungen nicht gepflegt, eine falsche Identität angenommen. In den Nervenheilanstalten machen die Patienten, die eine entsprechende Diagnose haben, einen erheblichen Anteil aus.

Mit Haltungsschäden auf der Jagd nach dem Phantom

Auch wenn viele auf gewisse Endgeräte verzichten können, werden die meisten von uns eines auf jeden Fall haben: das Smartphone. Selbst unter den Menschen in Deutschland, die 70 oder älter sind, besitzen 68 Prozent ein Smartphone und benutzen es regelmäßig. Mittlerweile gehören Menschen, die auf das kompakte Gerät schauen, zum Alltagsbild in den deutschen Städten. Sie glauben das nicht? Dann schauen Sie mal in den Straßen oder Wartezimmern, wer alles auf seinen „Taschencomputer“ blickt.

Natürlich ist es wichtig, dass wir nicht auf das Smartphone schauen, wenn wir, wie auch immer, am Straßenverkehr teilnehmen. Dass das gefährlich ist, sollte niemandem erklärt werden müssen. Achten Sie aber mal darauf, welche Körperhaltung wir alle dabei (unweigerlich) einnehmen. Das Smartphone liegt in der Hand, ungefähr auf Höhe der ersten Brustwirbel. Das Kinn liegt fast auf der Brust und der Nacken ist angespannt. Eben diese Anspannung ist gefährlich. Mediziner haben bereits bei einigen Menschen einen Haltungsschaden in diesem Bereich festgestellt, der von zu vielem, zu langem Nutzen des Smartphones auf dieser Höhe kommt.

Eine weitere körperliche Folge des Smartphones ist neuronaler Natur. Sie tritt v. a. bei denen auf, die ihr Mobiltelefon in der Hosen­tasche tragen und die Vibrationsfunktion angeschaltet haben. Sie merken dann zunächst am Oberschenkel, wenn sie eine Nachricht erreicht. Aus unterschiedlichen Gründen melden sich die modernen Mobiltelefone häufiger als ihre Vorgänger. Nicht nur, dass jede Person, rund um die Uhr, am Telefon sein kann, sondern auch die Verbindung mit dem Internet und die daraus resultierenden Nachrichtenmeldungen sorgen dafür, dass sich das Smartphone fast immer meldet.

Die Vibration des Telefons wird somit zu einem ständigen Begleiter, auch wenn sich das Gerät nicht meldet. Die meisten Menschen tragen, bewusst oder unbewusst, ihr Mobiltelefon häufig immer in derselben Hosentasche und somit immer an derselben Stelle des Körpers. Haben sich die Nervenrezeptoren dort daran gewöhnt, dass sie ein Vibrieren verspüren, senden sie dieses Signal gerne automatisch ans Gehirn – auch wenn nichts passiert ist. Die Menschen nehmen also eine Meldung wahr, ohne dass es eine gibt. Dieses Phänomen ist, wenn auch ein wenig übertrieben, mit dem der Phantomschmerzen zu vergleichen, von Menschen, die ein Bein oder einen Arm verloren haben. In beiden Fällen nimmt das Gehirn neuronale Signale auf, die es eigentlich nicht gibt.

Dem Druck den Stecker ziehen

Wer heute nicht rund um die Uhr erreichbar ist, gilt schon fast als Sonderling. Dabei tun wir unserer körperlichen und mentalen Gesundheit einen großen Gefallen, wenn wir die digitalen Helfer auch mal zur Seite legen. Gerade Kindern und Jugendlichen, unseren „Digital Natives“, ist sehr geholfen, wenn wir ihnen zeigen, dass es auch Momente gibt, in denen wir nicht auf einen Bildschirm schauen müssen. Denn immer „on“ zu sein kann auch den Stressfaktor erhöhen. Wenn wir die Geräte zur Seite legen, lernen wir, wieder zu entspannen, indem wir z. B. ein Buch lesen oder auch spazieren gehen. Es ist nämlich weniger Science-Fiction, als wir annehmen, wenn Geräte das Leben von Menschen diktieren. Dann befolgen wir lieber den Hinweis von Computer-Erfinder Konrad Zuse: „Wenn die Computer zu mächtig werden, dann zieht den Stecker aus der Steckdose.“