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»Spieglein, Spieglein...«

natürlich HAMM Frühling 2022 – Seite 4

Rubrik: Titelthemen

Autorin: Meike Jänsch

Wie die Selbstwahrnehmung unser Wohlgefühl und unsere Gesundheit beeinflusst

Jeder Mensch ist einzigartig. Das ist auch gut so und sollte uns allen das Selbst­vertrauen geben, das wir brauchen, um das Leben zu gestalten. Die Selbstwahrnehmung hilft uns, uns als Individuen zu verstehen und uns einschätzen zu können. Aber auch die Selbstwahrnehmung kann fehlerhaft sein. Das kann dann Folgen für die psychische Gesundheit haben. Wir erklären Ihnen, wie die Selbstwahr­nehmung funktioniert und wie wir uns vor falschen Rückschlüssen schützen.

Das erste Date. Tausende Fragen schießen uns durch den Kopf. „Was ziehe ich an?“ „Was passt zu mir?“  „Welche Farbe, welches Kleidungsstück unterstreicht meine Persönlichkeit?“ Denn ­bestenfalls begegnen wir an diesem Tag dem Menschen, mit dem wir den Rest unseres Lebens verbringen. – Andere Situation: Ihr Traumjob ist ausgeschrieben. Sie arbeiten seit Stunden am Bewerbungsschreiben und fragen sich, welche Vorteile Sie und Ihre Arbeitskraft für den potenziellen Arbeitgeber haben. Solche und ähnliche Situationen sind uns allen bekannt. Sie verlangen von uns eine möglichst gute und ehrliche Selbstdarstellung, mit der wir uns wohlfühlen.

Viele Menschen vertrauen in solchen Situa­tionen auf die Einschätzung von Freunden und Familie. Ein Weg, der einerseits vieles zutage ­fördert, auf das die Person selbst nicht käme, andererseits aber auch eine Gefahr birgt, denn das eigene Bild von einem selbst und die Einschätzung anderer Menschen sind nie identisch. Häufig sind es ­Kleinigkeiten, die einen dann sagen lassen: „Das bin nicht ich“ oder:  „Das gefällt mir aber nicht“.

Zwischen Körperschema und Körperbild

In der Psychologie wird die Selbstwahrnehmung in Körperschema und Körperbild unterteilt. Das Schema befasst sich mit der inneren Wahrnehmung des Selbst, während das Bild von äußeren Faktoren abhängt.

Das Schema erlangt der Mensch durch Erfahrungen, die er über seinen Körper sammelt. Die zentrale Frage lautet: „Was kann mein Körper leisten?“ Körpergröße, -bau und der gesundheitliche Zustand entscheiden, wie unser Schema aussieht.

Ganz von der Wahrnehmung der Sinne abhängig ist das Körperbild. Es sind nicht die Erfahrungen, die wir mit dem eigenen Körper gemacht haben, sondern die, die wir von außen aufnehmen. Wie definieren wir Sportlichkeit? Wie sieht Schönheit für uns aus? Im Laufe unseres Lebens sammeln wir zahlreiche Eindrücke, die diese und weitere Fragen zur Definition eines Idealkörpers beantworten. Diese Vorstellungen ­verbinden wir mit Betrachtungen über unser eigenes Erscheinungsbild. Somit bekommt das Körperbild eine emotionale Komponente, wodurch es als subjektiver Teil der Selbstwahrnehmung gesehen wird.

Wenn Wahrnehmung und Vorstellung nicht übereinstimmen

Seit Anbeginn der Menschheit werden Ideal­bilder über Körper und Person vermittelt. Was muss ein guter Mensch zu leisten in der Lage sein? Welche charakterlichen Eigenheiten sind zu akzeptieren, welche abzulehnen? Was muss der Körper einer Frau / eines Mannes können? Wie sieht ein attraktiver Körper aus? Dass wir uns vergleichen, uns auch Vorbilder nehmen und ihnen in gewissem Maße nacheifern, liegt in unserer Natur.

Heute werden wir täglich mit so vielen Medien konfrontiert wie nie zuvor. Entsprechend werden uns verschiedene Körperbilder kommuniziert. Gerade wenn es um Äußerlichkeiten geht, gibt es verschiedene Bilder, die uns sagen, was schön ist. Diese Bilder sprechen mit der äußeren Attraktivität eine wichtige Qualität des Körperbilds an. Dass wir darauf hören, was die Medien oder andere Menschen als ästhetisch bezeichnen, liegt an unserem Wunsch nach sozialer Akzeptanz. Wir sind daher nicht unabhängig von äußeren Einschätzungen.

Die vielen Eindrücke und Einschätzungen beeinflussen unser subjektives Körperbild und auch unser Körperschema. Wir schauen, inwiefern unser Körper den gestellten Anforderungen, etwa an Attraktivität und Leistung, entspricht. Dass wir diesen nicht vollkommen entsprechen, ist dabei die Regel und nicht die Ausnahme. Das ist auch nicht schlimm, schließlich unterscheiden wir Menschen uns untereinander in unseren körperlichen und geistigen Voraussetzungen. Wenn allerdings die Diskrepanzen zwischen Realität und Vorstellung zu groß sind, kann es zu Störungen in der Selbstwahrnehmung kommen.

Wenn Fremdbilder zu eigenen Bildern werden

Die Diskrepanz zwischen Körperschema und Körperbild kann sowohl psychische als auch physiologische Folgen haben. Von Magersucht bis zu Depressionen, weil man den selbst erstellten Anforderungen nicht entspricht, reichen häufig auftretende Symptome in vielen Fällen der Störung. Häufig wird vor einer derartigen Störung gewarnt, wenn Kinder und Heranwachsende gefährdet zu sein scheinen. Beispielhaft dafür stehen Model-Castingshows, deren Publikum meistens aus jungen Mädchen und Jugend­lichen besteht. Die Sendungen vermitteln ­meistens ein sehr eindeutiges Bild vom Körper und Charakter einer Frau. So wird von den Kandidatinnen verlangt, sich einem veralteten Frauenbild entsprechend zu verhalten. Außerdem kommen sehr häufig Kandidatinnen ­weiter, deren schmale Körper offensichtlich nicht gesund sein können.

Gerade bei Menschen, die sich noch finden müssen, wie etwa Pubertierende, können diese Fremdbilder schlimme Folgen haben. Junge Menschen nehmen diese unreflektiert auf und akzeptieren sie als Ideal. Das betrifft dabei nicht nur Mädchen, sondern auch Jungen. Bei ihnen sind es eher maskuline Bilder mit breiten Schultern und ausgeprägten Muskeln, die ein fraglos akzeptiertes Fremdbild erstellen.

Viele, die an einer gestörten Selbstwahr­nehmung leiden, akzeptieren diese Fremd­bilder als ihr eigenes Körperbild. Sie eifern diesen falschen Selbstbildern nach, was zu einer sozialen Phobie führen kann. Aus Angst, dass sie dabei erwischt werden können, wie sie ­versuchen, ihren Körper dem vermeintlichen Ideal anzupassen, oder auch aus Scham, diesem nicht zu entsprechen, vermeiden sie den ­Kontakt zu anderen Menschen. Häufig tritt dann der „Spotlight-Effekt“ bei diesen Menschen auf. Sie fühlen sich permanent von anderen beobachtet.

Enttäuschung und Angst sind nicht die einzigen Folgen

Wie gefährlich Selbstwahrnehmungsstörungen sein können, ist bei der Dysmorphophobie zu erkennen. Das Gefühl der Unattraktivität und der eigenen Unvollkommenheit führt bei den Patienten zu Selbstablehnung und -hass. Diese Emotionen wechseln sich ab mit der Angst vor den Reaktionen anderer Menschen und führen die Leidenden in die Isolation.

Die Illusion der Gummihand

Es sind v. a. neurologische und psychiatrische Erkrankungen, die mit einer gestörten Selbstwahrnehmung verbunden werden. Neben Magersucht und Bulimie treten häufig Schizophrenie, Epilepsie, Autismus und Schlaganfälle bei den Betroffenen auf. Alle diese Krankheiten haben ihren Ursprung in der schwachen Psyche.

Es gibt allerdings auch direkte körperliche Folgen, die von einer gestörten Selbstwahrnehmung kommen. Das ist mit dem Experiment der „Rubber Hand Illusion“ („Gummihand­illusion“) zu erkennen. Die Probanden sitzen dabei an einem Tisch. Eine Hand legen sie, für sich sichtbar, auf den Tisch. Die andere Hand legen sie an einer Stelle ab, die sie nicht sehen können. Stattdessen sehen sie eine Gummihand dort, wo eigentlich ihre Hand liegen sollte. Das Experiment beginnt, indem gleichzeitig die Gummihand und die verdeckte Hand berührt werden. Die Probanden spüren die Berührung auf der echten Hand, sehen aber nur, dass die Gummihand berührt wird. Das Gehirn vermittelt ihnen dann fälschlicherweise, dass die Gummihand zu ihrem Körper gehört. Die Selbstwahrnehmung ist gestört. Häufig wird dabei die Temperatur der verdeckten Hand gemessen. Es kommt dabei zum Temperaturabfall, da die Hand nicht mehr als Körperteil erkannt wird. Je stärker die Illusion war, desto stärker sank die Temperatur.

Das menschliche Bewusstsein kann also verschiedene Körperteile ablehnen, wenn diese nicht mehr wahrgenommen werden. Dann sinkt die Versorgung dieses Körperteils. Dabei muss es sich nicht um die Unfähigkeit zur Wahrnehmung handeln. Selbst das Ignorieren eines Körperteils, das wir nicht mögen, kann diesen Effekt zur Folge haben.

Die Folgen einer gestörten Selbstwahrnehmung können verheerend sein. Aber sollen wir uns deswegen keine Ziele setzen und keinen Vorbildern nacheifern? Es lohnt sich immer,  sich Ziele zu setzen und Vorbilder zu suchen. Dabei sollten wir aber nicht vergessen, dass jeder einzelne Mensch individuell und einzigartig ist – und damit auch perfekt.

Sich selbst akzeptieren und mögen

Wer sich selbst mag, wird akzeptiert

Der Mensch ist auf die Anerkennung von anderen aus. Daher geben manche alles, um von anderen akzeptiert zu werden, auch wenn sie dann ihrem Selbst nicht mehr entsprechen. Dabei werden gerade Menschen akzeptiert, die mit sich selbst im Reinen sind. Stellen Sie sich also immer so dar, wie Sie sich mögen, und Sie werden auf positive Resonanz stoßen.

Die Liste des Positiven

Wer immer nur schlecht über sich denkt, dem muss mal das Gute vor Augen geführt werden – notfalls von ihm selbst. Erstellen Sie eine Liste mit positiven Eigenschaften und Dingen, die Ihnen Freude machen. Selbst wenn sie noch so banal sind. Mögen Sie Tiere? Schreiben Sie es auf die Liste. Sind Sie vielleicht ein guter Tänzer und haben auch Spaß daran? Ab damit auf die Liste. Sie werden sehen, dass es viele Dinge gibt, die für Sie sprechen.

Wählen Sie ein eigenes Mantra

Ein Mantra ist eine Nachricht im Sprech­gesang, die Sie sich selbst vortragen. Ent­wickeln Sie ein Mantra, das positives Denken auslöst, wie etwa „Ich leiste gute Arbeit und bin in der Firma akzeptiert“ oder „Ich bin ein wertvolles Familienmitglied“. Wiederholen Sie diesen Satz im Kopf oder sagen Sie ihn sich leise vor.