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Zähne haben auch eine enorme psychologische Wirkung

Zahnarzt Prof. Dr. med. dent. Stefan Fickl im Interview

Der Zahnarzt ist der Facharzt, den wir am häufigsten aufsuchen. Sei es zur Kontrolle oder weil wir ernsthafte gesundheitliche Probleme mit den Zähnen haben. Im Jahr 2022 zählte die Bundesärztekammer über 72.000 aktive Zahnärzte in ganz Deutschland. Einer von ihnen ist Prof. Dr. med. dent. Stefan Fickl, der uns im Interview erklärt, auf was es bei der Zahngesundheit ankommt, wie er Patienten die Angst vor dem Praxisbesuch nimmt und warum Zahnseide nicht immer notwendig ist.

Sehr geehrter Herr Prof. Dr. Fickl, viele Menschen achten darauf, gesund zu leben. Wie wichtig sind die Zähne für eine ganzheitliche Gesundheit?

Zähne sind nicht nur wichtig bei der Nahrungsaufnahme und dem Zerkleinern von Nahrung, sondern haben auch eine enorme psychologische Wirkung. Weiße und geradestehende Zähne strahlen Gesundheit und Vitalität aus und steigern so auch das Selbstbewusstsein. Auch wissen wir aus vielen wissenschaftlichen Studien, dass Entzündungen an den Zähnen, wie etwa am Zahnfleisch, negative Auswirkung im ganzen Körper haben können. Ich nenne hier nur ein Beispiel. Schwangere mit entzündetem Zahnfleisch haben ein deutlich höheres Risiko für Frühgeburten und Komplikationen bei der Schwangerschaft.

Das Gebiss spielt eine wichtige Rolle bei der Nahrungsaufnahme. Mit welchen Nahrungsmitteln kann ich meine Zahngesundheit unterstützen?

Prinzipiell gilt: Je weniger verarbeitet ein Lebensmittel ist, desto besser ist es. Industriell verarbeitete Lebensmittel bedeuten, dass wir weniger kauen müssen und weniger schützender Speichel von den Speicheldrüsen ausgeschüttet wird. Außerdem sind die meisten prozessierten Lebensmittel mit Zucker weiterverarbeitet. In unserer heutigen Zeit ist es natürlich verlockend, Fertigprodukte oder schon vorbereitete Speisen zu verwenden – gesund für den Körper und auch die Zahngesundheit sind sie allerdings nicht. Ein gutes Beispiel für Nahrungsmittel, die die Zahngesundheit unterstützen, ist die sogenannte mediterrane Ernährung: wenig Kohlenhydrate, mageres weißes Fleisch, viele Ballaststoffe durch viel Gemüse. Es gibt eine aufsehenerregende Studie in der Zahnmedizin, bei der in einer Schweizer TV-Show Menschen für vier Wochen wie in der Steinzeit gelebt haben. Man hatte große Angst um die Zahngesundheit im Vorfeld, da es keine Zahnbürste und Zahnpasta gab. Es kam aber genau anders. Die Zahngesundheit der „Steinzeitler“ verbesserte sich eher in den vier Wochen, obwohl überhaupt keine Zahnpflege durchgeführt wurde. Wahrscheinlich ist das auf die gesunde und kauintensive Ernährung zurückzuführen!

„Die Abnutzung geschieht in der Regel durch Fehlfunktionen“

Im Laufe des Lebens werden die Zähne viel gebraucht und nutzen sich daher ab. Gibt es so etwas wie ein Verhalten, etwa beim Kauen, mit dem man die Abnutzung möglichst gering halten kann?

Die meiste Abnutzung der Zähne geschieht eigentlich gar nicht beim Kauen. Beim Zerkleinern der Nahrung haben wir meistens gar keinen direkten Zahnkontakt, da die Nahrung dazwischen ist. Außerdem ist unsere heutige Nahrung mittlerweile so weit verarbeitet, dass wir gar nicht mehr viel kauen müssen. Die Abnutzung geschieht in der Regel durch Fehlfunktionen wie nächtliches Zähneknirschen. Dies kann man durch Selbstkontrolle und in ausgeprägten Fällen mit Zahnschienen vermeiden.

Als Zahnarzt gehören Sie zu den Menschen, die, frei nach Martin Luther, „dem Volk ins Maul schauen“. Darum mal Hand aufs Herz: Wie gut steht es um die Zahngesundheit allgemein?

Hier gibt es zwei Aspekte, die zu erwähnen sind. Durch die sehr gute prophylaktische Einstellung der meisten Menschen zu ihren Zähnen, etwa durch tägliches Zähneputzen, den jährlichen Zahnarztbesuch mit ggf. professionellem Zahnreinigen, haben Erkrankungen wie Zahnkaries stark abgenommen über die letzten Jahrzehnte. Auf der anderen Seite werden wir immer älter und erhalten immer länger unsere eigenen Zähne. Dadurch sehen wir im fortgeschrittenen Alter doch relativ häufig Erkrankungen wie Par-
odontose oder stark abgenutzte Zähne.

„Eigentlich ist ein Zahnarztbesuch heute gar nicht mehr schlimm“

Es gibt wohl kaum einen Termin, vor dem so viele Leute Angst haben, wie vor dem Zahnarzttermin. Was sagen Sie den Patienten, um deren Sorgen zu nehmen?

Leider liegt diese Zahnarztangst oft sehr tief in der Seele der Menschen. Manchmal ist das zum Beispiel auf ein schlimmes Erlebnis beim Zahnarzt im Jugendalter zurückzuführen. Eigentlich ist ein Zahnarztbesuch heute gar nicht mehr schlimm und muss gar nicht mehr wehtun. Patienten, die viel Sorge vor einem Zahnarztbesuch haben, versuchen wir die Angst zu nehmen, indem wir ihnen gut zureden und erst einmal Vertrauen aufbauen. Dann beginnen wir mit kleinen Behandlungen und zeigen dem Patienten, dass wir eigentlich ganz nett sind!

Zum Schönheitsideal vieler Menschen gehören auch weiße Zähne. Wer darauf Wert legt, der entscheidet sich für eine von zahlreichen Methoden, die unter dem Begriff „Zahnbleaching“ firmieren. Wie bewerten Sie diese Methoden?

Zahnbleaching ist ein Aufhellen der Zähne durch bestimmte chemische Substanzen – vergleichbar mit dem Bleichen von Haaren. Zahnbleaching ist medizinisch unbedenklich, denn es schadet den Zähnen nicht, sondern oxidiert nur die Farbpartikel, die sich im Zahn abgelagert haben. Daher: Wer gern weißere Zähne haben möchte, aus meiner Sicht spricht nichts dagegen!

Für gesunde Zähne ist die Hygiene unerlässlich. Viele schwören dabei nicht nur auf das Putzen der Zähne mit Zahnbürste und Zahnpasta, sondern auch auf Zahnseide für die Zwischenräume. In Ihrem Buch „Auf den Zahn gefühlt“ sprechen Sie sich gegen den täglichen Einsatz von Zahnseide aus. Warum?

Zahnseide ist in der Tat das Lieblingskind aller Zahnärzte, und viele Patienten haben oft ein schlechtes Gewissen bei mir, wenn sie zugeben müssen, dass sie Zahnseide nicht verwenden. Das Problem an Zahnseide ist, dass es bis heute eigentlich keinen wissenschaftlichen Beweis gibt, dass es Erkrankungen wie etwa Zahnkaries vermeidet, ganz im Gegensatz zu fluoridhaltiger Zahnpasta. Theoretisch ist die Verwendung von Zahnseide ganz gut geeignet, die Zahnzwischenräume zu reinigen. Praktisch ist die korrekte Durchführung jedoch so schwierig, dass es nur Wenige korrekt anwenden. Als Beispiel nenne ich Ihnen eine wissenschaftliche Studie der Universität Witten-Herdecke. Hier konnte gezeigt werden, dass nur dann, wenn eine ausgebildete Fachkraft jeden Abend die Zahnseide bei den Studienteilnehmern persönlich angewendet hat, ein Effekt auf die Zahngesundheit nachzuweisen war. Daher würde ich bei gesunden Zähnen ohne Zahnfleischrückgang lieber die gesparte Zeit durch Zahnseide in ein längeres Zähneputzen mit einer fluoridhaltigen Zahnpasta investieren. Ist das Zahnfleisch schon etwas zurückgegangen oder verbleiben Nahrungsreste zwischen den Zähnen, sind Zahnzwischenraumbürstchen deutlich besser geeignet.

Vielen Dank für das Interview, Herr Prof. Dr. Fickl!

Lukas Rummeny

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