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Mitglieder werben – ehem. Vorsitzender des VBE Udo Beckmann im Interview

Udo Beckmann, langjähriger VBE-Chef, erzählt Redakteurin Nina Braun im Interview, wie es ihm gelungen ist, den VBE NRW auf 24.000 Mitglieder wachsen zu lassen.

NB: Sie waren 20 Jahre lang Landesvorsitzender des VBE NRW und bis zum vergangenen Jahr 13 Jahre Bundesvorsitzender des VBE. Was brauchen Menschen, Ihrer Erfahrung nach, damit sie einem Verband Vertrauen schenken?

UB: In erster Linie brauchen sie persönliche gute Erfahrungen. Etwa, dass sie angenommen werden, wenn sie Probleme haben, dass sie gut betreut werden, dass sie ernst genommen werden. Das ist die eine Seite, die andere Seite ist, dass der Verband geschlossen für seine bildungs- und berufspolitischen Grundpositionen einsteht und sie in demokratischen Prozessen konsequent weiterentwickelt. Und als vertrauenswürdig muss sich der Verband ebenso für die Mitglieder wie für die politischen Partner erweisen.

NB: Während Ihrer Zeit beim VBE NRW ist der Verband stark gewachsen. Gab es dazu eine Strategie oder haben Sie einfach mal losgelegt?

UB: Als ich den Verband als Vorsitzender übernommen habe, 1996, war für mich wichtig, dass der Verband mehr in den Medien wahrgenommen wurde als bisher. In der politischen Öffentlichkeit war er schon gut positioniert. Ich glaube, beides muss funktionieren; wenn man Menschen in den Verband holen will, muss man deutlich machen, dass man das öffentliche Sprachrohr für die Leute in den Bildungseinrichtungen ist.

Wir haben uns damals zu einer Strategie verabredet, dass wir unsere bildungspolitischen Standpunkte zu jeder Gelegenheit gegenüber der Politik konsequent vertreten, und gleichzeitig das Gespräch mit Journalisten gesucht. Damals war es von Vorteil, dass es bei den großen Tageszeitungen noch Journalisten gab, die sich auf das Thema Bildungspolitik spezialisiert hatten und tief im Stoff steckten. Heute müssen die meisten Journalisten Allrounder sein und viele Themen abdecken.

NB: Was hat Ihnen die größten Schübe verpasst?

UB: Große Erfolge in der Presse hatten wir immer, wenn wir mit Daten und Fakten gearbeitet haben. Wenn wir Umfragen unter der Lehrerschaft erhoben haben. Etwa zu Gewalt in Schulen, zur Digitalisierung, zur Inklusion und zum Ressourcenmangel.

Dabei war es wichtig, dass man mit ganz klaren Fakten und Forderungen an die Politik agieren konnte. Das war das eine. Auf der anderen Seite konnten wir in den 90er-Jahren schulpolitisch viel bewegen. Es war ja so, dass immer mehr Hauptschulstandorte wegen rückläufiger Schülerzahlen aufgegeben wurden. Wir haben nicht den Kopf in den Sand gesteckt, sondern uns Gedanken gemacht, wie man ein Sekundarschulangebot in der Fläche erhalten kann. Dazu haben wir uns den Schulstrukturexperten Dr. Ernst Rösner ins Boot geholt, Konzepte erarbeitet, intern diskutiert und dann in die öffentliche und politische Diskussion eingebracht. Eine andere brennende Angelegenheit waren die zurückgehenden Schülerzahlen an den Grundschulen und drohende GS-Schließungen. Dazu haben wir ebenfalls ein eigenes Konzept entwickelt, wie es gelingen kann, kleine Grundschulen zu erhalten, und es dann unter dem Namen „Kurze Beine – kurze Wege“ erfolgreich in die politische Diskussion eingebracht. Dem ist die Politik weitgehend gefolgt. Auch das Konzept zu den Sekundarschulen ist Teil des Schulkonsenses in NRW geworden. Darüber hinaus haben wir die besonderen Belastungen der Lehrkräfte in allen Schulformen durch ein eigenes Arbeitszeitgutachten offengelegt.

Als ich Bundesvorsitzender des VBE war, habe ich das fortgesetzt, indem wir viel mit dem Meinungsforschungsinstitut Forsa zusammengearbeitet und zahlreiche Umfragen gemacht haben, zum Stand der Inklusion, aber auch zum Thema Gewalt gegen Lehrkräfte beispielsweise.

NB: Die starke Öffentlichkeitsarbeit hat beim Mitgliederwerben unterstützt?

UB: Ja, wir hatten ein starkes Wachstum seit 1996 mit starker Bewegung Anfang des Jahrtausends und heute liegt das Wachstum auf einem stetigen guten Niveau. Zum Wachstum beigetragen hat natürlich auch das hohe Engagement der VBE-Mitglieder in den Personalvertretungen.

NB: Ich kann mir vorstellen, dass der Kontakt vor Ort auch extrem wichtig ist.

UB: Wenn wir über Mitgliederbindung und Mitgliederwerben sprechen, ist der Kontakt vor Ort ganz entscheidend. Durch kompetente Ansprechpartner, die regionalen Bezüge, gute Fortbildung usw. Die Öffentlichkeitsarbeit schafft die Popularität, aber die eigentliche Mitgliedergewinnung findet vor Ort in den Stadt- und Kreisverbänden statt.

NB: Heute hat die Geschäftsstelle des VBE NRW mehr als zehn hauptamtliche Mitarbeitende für mehr als 24.000 Mitglieder. An welchem Punkt haben Sie gemerkt, dass der Verband so gewachsen ist, dass Sie neue Strukturen bzw. mehr Mitarbeitende benötigen?

UB: Ich habe relativ schnell erkannt, dass die vielfältigen Aufgaben allein mit dem Ehrenamt nicht mehr zu stemmen sind. Das betraf den Bereich der Organisation, der Öffentlichkeits- und Pressearbeit, der Rechtsberatung. Das letztgenannte ist ja ebenfalls ein wesentliches Standbein des Verbands und eine große Unterstützung der Mitglieder.

NB: Auch mit einer starken hauptamtlichen Geschäftsstelle ist die Verbandsarbeit beim VBE ohne eine große Anzahl an ehrenamtlichen Kräften nicht möglich. Wie ist es Ihnen gelungen, diese immer wieder zur Mitarbeit zu motivieren und kontinuierlich neue Ehrenämtler dazuzugewinnen?

UB: Den Ehrenämtlern geht es wie mir. Die freuen sich über Erfolge des Verbands in der Öffentlichkeit und in der Politik. Das gibt Rückenwind und motiviert zusätzlich für die Arbeit auf der Kreis- und Stadtverbandsebene und natürlich auch durch die steigenden Mitgliederzahlen in der Region. Entscheidend ist, dass man vor Ort gute Angebote schafft, kompetente Ansprechpartner hat und gute Beratung und Fortbildungsangebote liefert. Dabei kann man voneinander lernen und sich Angebote abgucken, aber jede Region hat ihre Eigenheiten, auf die nur vor Ort reagiert werden kann.

NB: Von der Region treten wir mal einen Schritt zurück und schauen auf das große Ganze. Als Bundesvorsitzender hatten Sie keine Mitglieder zu betreuen, sondern einzelne Landesverbände zusammenzuhalten. Was war dabei die schwierigste Aufgabe?

UB: Da geht es den großen Verbänden nicht anders als der Kultusministerkonferenz. Wir versuchen, gute Projekte aus den Ländern in die Fläche zu tragen, als Bundesverband gute Impulse zu geben, die auch die kleinen Landesverbände aufgreifen können. Beispielsweise wenn wir Erhebungen gemacht haben, werden die Ergebnisse auf die Landesebene heruntergerechnet werden. Wir leisten Unterstützung, etwa bei der Presse- und Öffentlichkeitsarbeit, wenn kleinere Verbände weniger Ressourcen haben. Ich habe den Bundesvorstand immer verstanden als ein Koordinierungsgremium der 16 Länder, um zu erreichen, dass wir in grundlegenden berufspolitischen und bildungspolitischen Fragen eine Sprache haben und gemeinsam Impulse setzen. Darüber hinaus geht es um die Repräsentation in Dachverbänden wie dem dbb oder auf europäischer und weltweiter Ebene in der Education International (EI).

NB: Im Rückblick: Haben die digitalen Kanäle die Kommunikation einfacher oder komplizierter gemacht?

UB: Die Digitalisierung war ein Gewinn, nicht nur mit Blick auf die Erreichbarkeit für die Mitglieder, sondern um Abstimmungsprozesse im Bundesverband untereinander zu beschleunigen und zu vereinfachen. Sie ersetzen aber nicht das Zusammenkommen. Sondern dabei geht es eher darum, einzelne Positionen innerhalb einer Stunde abzustimmen und dann gegenüber der Politik mit einer Stimme zu sprechen. Das ist ein großer Vorteil.

Ich glaube, das hat sich mittlerweile eingependelt zwischen Treffen vor Ort und Videokonferenzen. Wenn Corona nicht gewesen wäre, wären wir in dieser Hinsicht nicht so schnell gewesen.

NB: Welche Tipps haben Sie für kleinere Verbandsorganisationen, die geringe finanzielle und personelle Ressourcen haben, Mitglieder zu gewinnen?

UB: Vor allem muss immer eine klare Positionierung da sein, damit sich Menschen daran orientieren können. Dann sollte man Möglichkeiten suchen, mit den vorhandenen Gegebenheiten die Mitglieder zu unterstützen. Und dann Öffentlichkeitsarbeit zu machen, nach innen und nach außen, so gut es geht. Und dann sollte man sich Gedanken darüber machen, wie man die Ehrenamtlichen von unnötigen Aufgaben entlasten kann, damit die sich auf das Wesentliche konzentrieren können, nämlich die politische Vertretung, die Beratung von Mitgliedern und die Findung von Positionen.

NB: Sie bleiben der Verbandswelt ja weiterhin erhalten, weil Sie in die Veranstaltungsorganisation von Bildungskongressen eingestiegen sind. Vermissen Sie die Arbeit als Verbandschef?

UB: Für mich ist es wunderbar, dass ich das, was ich mit aufgebaut habe an Bildungskongressen, weiter begleiten kann und ich dadurch im engen Kontakt mit dem Bundesverband und den Landesverbänden bleibe. Dadurch kriege ich weiterhin hautnah mit, was die Sorgen und Nöte in der Bildungslandschaft sind. Auf der anderen Seite sehe ich sehr zufrieden auf das zurück, was ich hinterlassen habe, und wie das, was ich hinterlassen habe, fortgeführt wird.

NB: Werden Sie denn noch manchmal angerufen und nach Tipps gefragt?

UB: Das kommt natürlich vor, dass ich mal nach einem Tipp gefragt werde, aber das ergibt sich mehr sporadisch aus der Situation heraus. Wichtiger finde ich, dass diejenigen, die die Aufgabe übernommen haben, jetzt ihre eigene Linie fahren. Denn nur so kann man einen Verband voranbringen.

NB: Vielen Dank für das aufschlussreiche Interview, Herr Beckmann!

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